Villa Ewald - Dresdner Straße 80

Die Villa an der Dresdner Straße 80 wurde 1880 im neoklassizistischen Stil gebaut.
Bereits im Jahr 1862 war an diesem Standort ein Fabrikgebäude vorhanden und wurde von der Florettseidenspinnerei von J. G. Delling genutzt. Im Jahr 1877 wurde das Grundstück von Theodor Ewald erworben und er zog mit seinem Manufakturwarengeschäft in das Gebäude ein. Ewald ließ 1880 im vorderen Bereich des Grundstücks eine Villa bauen. Das Erdgeschoss  wurde, wie bei vielen Fabrikantenvillen um diese Zeit üblich, als Kontor genutzt. Im Jahr 1891 erwarb der Fabrikbesitzer Friedrich Rabe das Grundstück mit Villa und Fabrikgebäude. Er fertigt Trikotagen in dem Hauptgebäude. Nach seinem Tod ging das Grundstück an die Erbengemeinschaft Scheeren und Rabe. Nachdem Rabes Witwe nach Berlin gezogen war, wurde am Standort eine Strickmaschinenfabrik von ihrem Sohn weitergeführt. Ebenfalls hatten sich im Gebäude noch die Trikotagenfabrik „Uhlig & Hermann“, das Bautechnische Tiefbaugeschäft Baumgärtner und die Maschinenfabrik Polster & Girschik niedergelassen.

Anfang des Jahres 1898 zog der Unternehmer Leopold Neumeyer mit seiner 1891 gegründeten Weberei in das Hintergebäude der Dresdner Straße 80. Zuvor hatte er die Möbelstoffweberei „Beckert & Sohn“ übernommen. Die Firma nannte sich nun „Leopold Neumeyer, vormals Beckert & Sohn Nachfolger“. Hier wurden hochwertige Möbelstoffe, Tisch- und Divandecken produziert. 1903 ging das ganze Grundstück mit der Villa in den Besitz von Leopold Neumeyer über. Die Villa wurde auch weiterhin von mehreren Unternehmen als Kontor genutzt, zum einen von Neumeyer selbst und von der Textilfabrik Görner & Rätzer sowie von der Plüschfabrik Hermann Paul Berthold.

 

Die oberen Etagen wurden als Wohnungen vermietet. Bis zu seinem Tod am 14. Mai 1936 betrieb Neumeyer seine Firma hier weiter. In dieser Zeit wechseln die weiteren Mieter in der Villa und im Fabrikgebäude ständig. So waren hier unter anderen die Ketten- und Räderfabrikation Gentsch & Schönherr, die Zigarettenfabrik Wetzel & Helbig und die Zeitschriften- und Buchhandlung Reinhold Winkler zu finden.

 

Nach Leopold Neumeyers Tod führte sein Sohn Julius das Unternehmen mit Unterstützung der Mutter Emma Neumeyer weiter. Nach dem Erlass der „Judengesetze“ im Jahre 1938 gelang es Julius Neumeyer, mit seiner Familie nach Argentinien auszureisen. Emma Neumeyer wurde im Frühjahr 1939 die Auswanderung nach Locarno gestattet, später folgte sie ihrem Sohn nach Buenos Aires. In der Zwischenzeit wurde die Firma vom Prokuristen weitergeführt, bis sie im März 1940 liquidiert und die Gebäude an die Allgemeine Baugenossenschaft für Chemnitz und Umgebung eGmbH verkauft wurden. Diese ließ die Villa für die Hauptverwaltung der Genossenschaft umbauen.

 

Den 2. Weltkrieg hatten die Gebäude unversehrt überstanden und Julius Neumeyer stellte einen Antrag an die neue Regierung auf Wiedergutmachung für den Verlust der enteigneten Firma – aber ohne Erfolg.
1984 wurden die Gebäude von der GWG (Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft) gekauft und seit dem Zusammenschluss mehrerer Wohnungsgenossenschaften zur Sächsischen Wohnungsgenossenschaft eG werden die Gebäude von dieser als Firmensitz mit Geschäftsstelle, Reparaturannahme und Wohnungsinformationszentrum genutzt.

 

Bildquelle: 1, 3-5, Petra Habelt
                    2, Sammlung Jürgen Eichhorn

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